In Deutschland geboren und trotzdem ein Fremder? Burak Gündogan trägt einen türkischen Namen – dennoch verbindet ihn wenig mit seinen Wurzeln.
„Wieso werden Menschen, die hier leben, arbeiten, lieben, spielen, lernen, lachen und wohnen als Fremde bezeichnet?“ Diese Frage beschäftigt Burak Gündogan aus Hamburg-Bergedorf schon seit langem. Denn obwohl er türkische Wurzeln hat, fühlt er sich als Deutscher. Seit drei Monaten ist er es auch offiziell. Der 19-Jährige studiert Sozialökonomie und ist in Reinbek bei Hamburg geboren. Bei seiner Geburt beschlossen seine Eltern, die schon lange in Deutschland lebten, dass er die türkische Staatsangehörigkeit bekommen soll. „Mit 18 konnte ich dann selbst entscheiden und ich fühle mich mehr als Deutscher“, erklärt Burak. Eine Verbindung zur Türkei fehle ihm. Für Burak ist Hamburg seine Heimat: „Ich liebe die Freiheit hier.“
„Meine Eltern hätten es lieber gesehen, wenn ich beide Staatsangehörigkeiten gewählt hätte“, sagt Burak. Sie wanderten vor mehr als 40 Jahren aus einem kleinen Dorf an der türkischen Westküste nach Deutschland aus. In den Ferien fuhr Burak oft mit seiner Familie in die Türkei. „Hamburg und das Heimatdorf meiner Eltern trennen Welten. Alles dort ist etwas rückständiger“, berichtet er. Autos gäbe es dort weniger und die Handys hätten noch ausziehbare Antennen. Auch der Kontakt zu anderen Kulturen sei hier weniger gegeben. Er hingegen habe schon im Kindergarten mit den unterschiedlichsten Nationalitäten gespielt. Griechen, Afrikaner, Türken, Deutsche oder Südamerikaner zählen heute noch zu Buraks Freunden. Und sie alle fühlen sich als Deutsche.
Am Gymnasium Lohbrügge machte er 2014 sein Abitur. Ein Jahr zuvor entschied er sich, der SPD beizutreten, weil seine Eltern Zeit ihres Lebens Arbeiter waren. Für Politik hatte er sich schon immer interessiert. Statt sich nur aufzuregen, will Burak etwas bewegen. Ende 2013 wurde er zum Vorsitzenden der Schüler Jusos (Schülerorganisation der SPD) gewählt. Seitdem engagiert sich der junge Politiker immer mehr. Bildungs- und Flüchtlingspolitik sind ihm wichtig. „Dass die Menschen Angst vor Flüchtlingen haben, ist normal“, räumt er ein. „Viele wissen nicht, woher sie kommen und was sie erlebt haben. Aufklärung ist hier sehr wichtig.“
Bei den Jusos wird regelmäßig über dieses Thema diskutiert. „Flüchtlinge in den Viermarschlanden (A.d.R.: ländlicher Bereich des Bezirkes Hamburg-Bergedorf) unterzubringen, macht wenig Sinn. Flüchtlingsheime sollten nicht an Orten entstehen, wo nichts ist.“ Im Innenstadtbereich wie Harvestehude wären sie besser aufgehoben. „Wir müssen die Flüchtlinge aufnehmen. Und ich finde, wir könnten noch mehr tun.“
Ende 2014 besuchte Burak den Hamburger Verein für Völkerverständigung. „Ich habe mich informiert, wie Flüchtlinge hier untergebracht werden und was sie benötigen.“ Nach der Hamburg-Wahl im Februar will er eine Spendenaktion starten. „Diese Menschen benötigen praktische Dinge wie Töpfe, Handtücher oder Bettwäsche.“ Auch wenn ihm die Politik sehr viel Spaß macht, weiß Burak noch nicht, ob er Berufspolitiker werden möchte. „Politik ist nicht planbar. Mal schauen, was kommt.“ Um aus Überzeugung etwas ändern zu können, ist er bei den Jusos. „Ich muss keine Ämter bekleiden, auch so kann ich etwas bewirken.“
Text: Freya M. Baier und Sven Buchenau